von Andree Meyer

Der Sommer verleitet dazu, einmal nicht in der heißen Küche zu stehen und sich mit kuriosen Kochdingen zu beschäftigen. Vor einiger Zeit schenkte uns ein befreundetes Ehepaar ein altes Kochbuch. Autorin war Henriette Davidis, überarbeitet von Luise Holle. Sie wurde 1801 in Wengern im Ruhrgebiet geboren und verstarb 1876 in Dortmund. Im Jahr 1845 erschien ihr „Praktisches Kochbuch“. Sie stammte aus einer Pfarrfamilie und hatte so wohl die Gelegenheit, zu studieren und als Lehrerin und natürlich Autorin zu arbeiten. Sie war zweimal verlobt, jedoch starben die Männer jeweils kurz vor der Hochzeit, so dass sie unverheiratet blieb. Auch das dürfte ein Grund für sie gewesen sein, dass sie sich in die Arbeit stürzte und ein Kochbuch schrieb, dass in manchen Familien von Generation zu Generation weitergereicht wurde. Henriette Davidis gilt als eine der berühmtesten Kochbuchautorinnen Deutschlands.

Auf diesem Bild ist Henriette Davidis um das Jahr 1860 herum zu sehen. Das Bild stammt aus Wikipedia  und das Urheberrecht ist erloschen.

Die Amerikanerin Julia Child hatte in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg, als ihr Mann in Paris als Diplomat tätig war, die Idee, ein Kochbuch zu schreiben – und zwar für „amerikanische Hausfrauen ohne Köchin“. Offensichtlich war ihr dabei aber schon mehr als 100 Jahre vorher Henriette Davidis zuvor gekommen. Sie selbst wurde von ihrem Verlag aufgefordert, einen Werbetext für Ihr Buch zu verfassen. Dieser soll so gelautet haben:

„Erstens enthält unser Buch nur zuverlässige Vorschriften, meist selbst geprüfte, doch sind es nicht einzig und allein die guten Rezepte, (…), es ist zugleich die Deutlichkeit und Rücksicht, die bei der Bearbeitung auf ganz Ungeübte genommen worden, so, daß das Buch gleichsam als Anleitung würde dienen können. Das ist gelungen. Wie ich allgemein höre, können Kinder danach kochen, vielmehr völlig ungeübte junge Frauen. Das gute Geraten vermehrt die Lust und bildet bald gute Köchinnen.“ (Quelle: Henriette Davidis an Velhagen und Klasing am 30. Juli 1856, zit. nach Methler, Methler: Biographie … S. 97.)

Das „Praktische Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche“ wurde „unter besonderer Berücksichtigung der Anfängerinnen und angehenden Hausfrauen“ geschrieben.

Die Beschreibung einer Zubereitung des Stintes fand ich besonders interessant, zumal da er ja auch in Ostfriesland beheimatet ist. 

 

Stinte in der Elbe (Bild: www.stiftung-lebensraum-elbe.de)

126. Stinte zu kochen. Nachdem sie geschuppt, das Eingeweide mit dem Kopfe herausgezogen, gut gewaschen und auf einen Durchschlag geschüttet sind, werden die Fische in gesalzenem kochendem Wasser unter stetem Schäumen einige Minuten gekocht. Dann gießt man etwas kaltes Wasser hinzu und richtet die Fische sogleich mit gekochten recht heißen Kartoffeln, Butter, Senf oder einer sauren Eiersauce (s.Abschnitt R.) an. Anmerkung: Die Stinte sind oft mit Würmern versehen und bedürfen daher eines aufmerksamen Auges.“

127. Stinte zu backen. Sie werden wie im Vorhergehenden vorgerichtet, gut gewaschen, auf dem Durchschlag mit feingemachtem Salz durchstreut, in Mehl umgedreht, in reichlich gutem , kochend heiß gemachtem Fett gelbbraun und kross gebacken. Kartoffelsalat ist passend dazu.  Anmerkung: Die Stinte sind trockene Fische, deshalb gehört zum Backen derselben viel Fett; da sie in der Pfanne zusammenkleben, so können sie wie Pfannkuchen umgewendet werden.

Diese Rezepte finden sich auf Seite 333 bis 334 in dem „Praktischen Kochbuch“, der 42. Auflage von 1906, also 30 Jahre nach ihrem Tod erschienen. Dieses Buch muss ein echter Klassiker gewesen sein, denn mehr als 60 Jahre nach dem ersten Erscheinen in der 42. und vermehrten Auflage zu erscheinen – das ist schon was!

Das ist unsere Ausgabe – erschienen in der 42. Auflage 1906, 30 Jahre nach dem Tod der Autorin. Eines unterscheidet ihr Kochbuch jedoch massiv von dem der Julia Child. Während die Amerikanerin ein Buch für wirklich unfähige Köche und Köchinnen schrieb, in dem sie nicht nur genaueste Mengenangaben, sondern auch alles Schritt für Schritt beschrieb, setzte Henriette Davidis offensichtlich sehr viel Wissen voraus. Im gesamten Buch sind Mengenangaben eher oberflächig in einem fließenden Text aufgeführt. Das unterscheidet dieses Kochbuch doch sehr stark von heutigen Rezepten und Kochbüchern. Hier scheint manchmal der Autor schon Angst zu haben, verklagt zu werden, wenn er drei Tropfen Wasser zu viel angegeben hat. Das hat aber alles weniger mit der Intelligenz der Leser zu tun, als mit irrsinnigen Verbrauchergesetzen, bei denen scheinbar von vollständiger Dummheit des Verbrauchers ausgegangen wird – wieso sonst muss mittlerweile auf Kaffeebechern darauf hingewiesen werden, dass der Kaffee heiß ist – man erwartet doch, dass der Kaffee heiß ist – sonst hätte man doch einen Eiskaffee bestellt! Mit solchen Pingeligkeiten musste sich Henriette Davidis noch nicht herumschlagen. Ihr Kochbuch beweist, dass sie die Leser für intelligent und gebildet hält – scheint eine tolle Frau gewesen zu sein!

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